Das Ziel der Punktereform im letzten Jahr war eine Vereinfachung des Systems. Noch während aber an letzten Details gefeilt wurde, war schon klar, dass man dieses Ziel wohl nicht erreichen würde. Nun zeigt sich, dass man sogar weit davon entfernt ist.
Wenige Monate nach Durchführung der Reform wurde nun schon nachgebessert. Zum 05.12.2014 sind einige Änderungen in Kraft getreten, die für etliche Kraftfahrer zu einer ernsthaften Bedrohung des Führerscheins werden. Es geht um das Maßnahmesystem im Straßenverkehrsgesetz, das eingreift, wenn bestimmte Punktestände erreicht oder überschritten sind. Das ist im Grunde nichts Neues. Auch nach dem alten System, an das sich viele sicher erinnern, gab es solche Maßnahmen, nämlich eine Verwarnung bei Erreichen von mindestens 8 Punkten, eine Verpflichtung zum Aufbauseminar bei einem Stand von mindestens 14 Punkten und schließlich, bei 18 und mehr Punkten, die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Mit der Umstellung des Punktesystems im letzten Jahr sind auch diese Maßnahmen etwas geändert worden. Jetzt gibt es eine Ermahnung bei 4 oder 5 Punkten, eine Verwarnung bei 6 oder 7 Punkten und die Entziehung bei mindestens 8 Punkten. Sowohl im alten wie auch im neuen System war aber der Grundgedanke, dass diese Maßnahmen nacheinander zu ergreifen waren, bevor am Ende die Fahrerlaubnis entzogen wird.
Beispiel: Wer schon 13 Punkte (nach alter Bewertung) hatte und nun 6 oder 7 Punkte wegen einer Straftat (etwa Kennzeichenmissbrauch oder Unfallflucht) dazu bekam, erreichte auf einmal die Grenze von 14 und die von 18 Punkten. Weil aber die Maßnahme „Aufbauseminar“ noch nicht durchgeführt war, konnte und sollte die Maßnahme „Entziehung der Fahrerlaubnis“ nicht ergriffen werden. Die gesetzliche Regelung sah in diesem Fall eine Reduzierung der Punkte auf 17 vor. Hintergrund war der Gedanke, dass eine solche Maßnahme quasi erzieherischen Charakter haben und dass der Betroffene dadurch auch gewarnt werden sollte, bevor als letzter Schritt die Fahrerlaubnis entzogen wird.
Dieses Prinzip führte zusammen mit dem Tattagsprinzip dazu, dass Taten, die noch nicht rechtskräftig entschieden und deshalb zum Zeitpunkt der Maßnahme noch nicht im Verkehrszentralregister eingetragen waren, quasi von der Maßnahme mit ergriffen wurden. Wenn im Beispiel oben noch eine Bußgeldsache offen gewesen wäre, die nach Ergreifen der Maßnahme „Aufbauseminar“ rechtskräftig geworden wäre, hätte die Eintragung zum Überschreiten der 17 Punkte geführt und die Fahrerlaubnis hätte entzogen werden müssen. Weil die Ordnungswidrigkeit aber schon vor der Maßnahme begangen worden war, konnte sich die Warnfunktion der Maßnahme gar nicht verwirklichen. Die Maßnahme hätte ihren Zweck in dieser Situation nicht erreichen können. Deshalb konnten nach der alten Regelung schon vor der Maßnahme begangene Taten den Punktestand nicht mehr erhöhen. Dieses nachvollziehbare Prinzip wurde auch mit der Reform zunächst in das neue System übernommen. Mit der Gesetzesänderung zum 05.12.2014 gilt es aber nur noch eingeschränkt und oft nicht.
Zukünftig wird es nur noch darauf ankommen, von welchen Taten und Eintragungen die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis hat. Nur diese Eintragungen werden bei der zu ergreifenden Maßnahme berücksichtigt. Waren zum Zeitpunkt der Maßnahme schon andere Taten geschehen, die aber erst später in Flensburg eingetragen werden, erhöhen diese Eintragungen den Punktestand nach der Durchführung der Maßnahme und führen gegebenenfalls unmittelbar zu nächsten, die auch aus der Entziehung der Fahrerlaubnis bestehen kann. Die Warnfunktion der vorgegangenen Maßnahme wird in diesen Fällen völlig aufgegeben. Auch das Tattagprinzip, das vom Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2008 als verbindlich bezeichnet wurde und erst später tatsächlich im Gesetz verankert wurde, wird dadurch aufgeweicht.
Fazit: Konsequenzen der Änderung zum 05.12.2014 werden etliche Kraftfahrer wohl noch zu spüren bekommen. Nach der Rechtslage bis 04.12.2014 drohte keine Entziehung der Fahrerlaubnis, nun aber bei gleichem unverändertem Sachverhalt und ohne Hinzutreten weiterer Punkte müssen sie das befürchten.