EuGH: Afghanische Frauen haben ein Recht auf Asyl

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021 werden Frauen systematisch unterdrückt und mundtot gemacht. Neben kompletter Verhüllung und dem Ausschluss von Mädchen und jungen Frauen von Bildung ist Frauen mit Erlass eines Laster- und Tugendgesetzes seit Kurzem unter anderem auch das Sprechen und Singen in der Öffentlichkeit verboten.

Diese unerträgliche Situation hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) erkannt und in seiner Entscheidung vom 04.10.2024 den Schutz von afghanischen Frauen gestärkt.

Hintergrund der Entscheidung

Ursprung dieser Entscheidung war ein Verfahren zweier Afghaninnen, deren Asylantrag zunächst in zwei Instanzen abgelehnt wurde. Im Rahmen des Revisionsverfahrens vor dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof wurden zwei zentrale Fragen an den EuGH weitergeleitet:

  1. Stellt die Gesamtsituation von Frauen und Mädchen in Afghanistan einen derartigen Verfolgungsgrad dar, dass die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zugesprochen werden muss?
  2. Gilt diese Verfolgung so grundsätzlich für diese soziale Gruppe, dass auf eine individuelle Prüfung verzichtet werden kann?

Der EuGH entschied unmissverständlich: Dort, wo Frauen zwangsverheiratet werden, kein Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt besteht sowie die politische Teilhabe und Schulbildung verweigert wird, liegt eine systematische Verfolgung und damit auch ein Asylgrund vor.

Auswirkungen in der Praxis

Auch für die Praxis der europäischen Asylbehörden – in Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – äußerte der EuGH einen entscheidenden Hinweis: Entgegen der sonstigen Entscheidungspraxis muss nicht die individuell drohende Verfolgung dargelegt werden, vielmehr reicht die Feststellung des Geschlechts und der afghanischen Staatsangehörigkeit aus.

Diese Entscheidung ist nicht nur für Afghaninnen interessant, die derzeit erstmals Asyl in der Europäischen Union beantragen. Afghanische Mädchen und Frauen, denen in der Vergangenheit kein Asyl oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, können einen Folgeantrag stellen und so ihren Schutzstatus stärken.

Die Anerkennung des Flüchtlingsstatus birgt gegenüber dem subsidiären Schutz oder einem nationalen Abschiebeverbot entscheidende Vorteile: Die Möglichkeit des Familienasyls wird eröffnet, es kann ein Flüchtlingsreisepass ausgestellt werden und die Familienzusammenführung sowie der weitere Integrationsweg wird erleichtert.

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