Kinder in die Paläste? – Neues zur Eigenbedarfskündigung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in zwei neueren Entscheidungen nochmals mit der Frage der Eigenbedarfskündigung auseinandergesetzt.

In dem Urteil vom 04.03.2015 (Az.: VIII ZR 166/14) ging es um die Frage der Angemessenheit des Wohnbedarfs; konkret um die Frage, ob der Vermieter eine 136 qm große Wohnung für seinen studierenden Sohn beanspruchen könne, wenn dieser dort mit einem Kommilitonen eine WG gründen möchte. Für einige überraschend: Er kann. Der Mieter hatte sich damit verteidigt, dass der Wohnbedarf „weit überhöht“ und die Kündigung damit rechtsmissbräuchlich sei. Der BGH sah das anders. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

“Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich ist nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen.“

Und weiter:

„Es lassen sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.“

Der BGH zeichnet damit eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nach, die häufig von Instanzgerichten fehlinterpretiert wurde. Das Gericht kann eben nicht entscheiden, ob ein Wohnbedarf von 50, 80 oder 130 qm für eine Person angemessen ist. Man mag das für sozialpolitisch verfehlt halten, weil man damit automatisch Kinder, die in „großzügigen Verhältnissen“ aufgewachsen sind bevorteilt; juristisch gesehen ist es aber zutreffend. Damit ist der Mieter dennoch nicht schutzlos. Das Korrektiv hierfür ist das Fortsetzungsverlangen und die Frage, ob die Kündigung für den Mieter, seine Familie etc. eine unzumutbare Härte darstellen würde. Der Geltendmachung dieser Härtefallgründe wird man in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit als bisher zu widmen haben.

In einer weiteren Entscheidung (Az.: VIII ZR 154/14, BGH vom 04.02.2015) musste sich das Gericht ebenfalls mit der Frage des Rechtsmissbrauches einer Eigenbedarfskündigung auseinandersetzen.

Zunächst bekräftigte das Gericht seine bisherige Rechtsprechung, wonach derjenige Eigentümer rechtsmissbräuchlich handelt, „der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen.“ Denn er „setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt.“

Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass der Vermieter weder verpflichtet ist, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sogenannte “Bedarfsvorschau“), noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten. Fragt der Mieter allerdings ausdrücklich nach einer Eigenbedarfssituation, muss der Vermieter wahrheitsgemäß antworten und den Mieter „über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen“ aufklären, wenn er sich nicht dem Einwand arglistigen Verhaltens aussetzen will.

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