Gewerbemietvertrag: Ist das Geschäft coronabedingt geschlossen, halbiert sich die Miete?

Die Entscheidung des OLG Dresden

Auf diese Kurzformel ließe sich jedenfalls eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden vom 24.02.2021 reduzieren. Im Fall ging es um ein Geschäft der Kette „KiK“, die im ersten Lockdown aufgrund der diversen Allgemeinverfügungen bzw. Coronaschutzverordnungen geschlossen wurde. Konkret ging es um die Miete im April, die nicht gezahlt wurde. Während der Vermieter die erste Instanz gewann, hob das OLG die Verurteilung auf und hielt eine Halbierung der Miete unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Anpassung der Geschäftsgrundlage für angemessen, da keiner der Vertragspartner eine solche Entwicklung habe vorhersehen können.

Parallel: Das OLG Karlsruhe entscheidet

Ganz anders entschied das OLG Karlsruhe am gleichen Tag. Auch in dieser Entscheidung ging es um die Nichtzahlung einer Monatsmiete für April 2020. Das OLG hielt fest: 

„Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters.“ 

Mit anderen Worten: Die coronabedingten Nutzungseinschränkungen sind kein Mangel der Mietsache. 

Aber auch zur Frage der Geschäftsgrundlage beschäftigte sich das Gericht und ging dabei sogar auf den neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBEB ein, der besagt:

„Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“

Dazu führt das Gericht ab Rz. 21 der Entscheidung (zitiert nach juris) aus:

„Dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wird nun „grundsätzlich“ vermutet, wobei Unsicherheiten beseitigt und die außergerichtliche Verhandlungsposition des Gewerberaummieters gestärkt werden sollte (BT-Drucks. 19/25322 S. 14/ 15). Art. 240 § 7 EGBGB schafft eine tatsächliche Vermutung, dass sich ein Umstand im Sinn des § 313 Abs. 1 BGB, der Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach dem Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutung ist widerleglich und gilt nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB (BT-Drucks. 19/25322 S. 20). Das normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass im Rahmen der Zumutbarkeit zu prüfen sein wird, wie erheblich die Umsätze zurückgegangen sind und auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkung jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat (z. B. wegen Kurzarbeitergeld oder weggefallenem Wareneinkauf). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, § 313 BGB gewährt keine Überkompensation (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend nicht festzustellen, dass es der Beklagten unter Abwägung aller Umstände nicht zuzumuten wäre, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festgehalten zu werden.“

Kurz und gut, wenn nicht besondere weitere Umstände hinzutreten, bleibt der Mieter zur vollen Mietzinszahlung verpflichtet.

Fazit:  Fraglich ist, welche Rechtsmeinung sich durchsetzen wird. Das OLG Karlsruhe spiegelt ganz die Auffassung wieder, die vor der Schaffung des Art. 240 § 7 EGBGB herrschende Meinung war. Danach hätte es der gesetzgeberischen Regelung eigentlich nicht bedurft. Auch wird zu einfach das vom Gesetz intendierte Regel-/Ausnahmeverhältnis („wird vermutet“) beiseitegeschoben, denn, und das ist dem OLG Dresden dann durchaus zuzugeben, wer hätte jemals mit derart weitreichenden und lang andauernden Beschränkungen der geschäftlichen Tätigkeit gerechnet? Die Auffassung des OLG Dresden dürfte daher eher dem gesetzgeberischen Willen entsprechen. Wie dem auch sei, der BGH wird aller Voraussicht nach bald Gelegenheit haben, sich in der Sache zu positionieren, denn der im Dresdner Fall unterlegene Vermieter hat angekündigt, das Urteil der Revision unterziehen zu wollen.

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