Medizinrecht
Ärztliche Schweigepflicht bei Kindesmisshandlung
Behandlung von Kindern
Dieser Gedanke drängt sich insbesondere bei der Behandlung von Kindern auf, die ein Verletzungsbild aufweisen, dass möglicherweise auf eine Misshandlung hindeuten könnte.
Denn den Behandlungsvertrag schließen für Minderjährige die Sorgeberechtigten ab, also im Regelfall die Eltern. Denen obliegt die elterliche Sorge und damit auch die Pflege des Gesundheitszustandes ihrer Kinder, was sich bereits aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt.
Alles was der Arzt infolge seiner beruflichen Tätigkeit erfährt, wird lediglich einem beschränkten Personenkreis bekannt gegeben und stellt somit eine geheime Tatsache im Sinne des Paragrafen 203 Abs. 1 Nummer 1 StGB dar. Der Patient muss dabei keinen Geheimhaltungswillen äußern, denn es wird unterstellt, dass sämtliche medizinischen Befunde und im Untersuchungsgespräch bekannt gegebenen Informationen zu bewahren sind. Das umfasst also die Diagnose im gleichen Umfang wie die familiären oder finanziellen Umstände des Patienten. Wichtig ist allein, dass der Arzt gerade wegen seiner Berufsausübung in Kenntnis gesetzt wurde.
Wenn nun also ein vom Arzt behandeltes Kind diesem gegenüber offenbart, dass es beispielsweise den blauen Fleck am Oberarm durch einen Schlag der Mutter erlitten hat, sieht sich der Mediziner der unangenehmen Situation gegenüber, dass er aufgrund seiner Verschwiegenheit grundsätzlich gegenüber Jugendämtern und Polizeibehörden keine Angaben machen darf, sofern ihm keine ärztliche Schweigepflichtentbindung erteilt wurde, er aber selbstverständlich seinen Patienten vor künftigen ähnlich gelagerten Vorfällen schützen möchte.
Strafbarkeit des Arztes
Jeder konkrete Hinweis, der Rückschluss auf den Namen und den Verdacht der Misshandlung zulässt, auch wenn es ein kurzes Telefonat ist, würde dabei ausreichen um den Straftatbestand des Paragrafen 203 StGB zu erfüllen. Dann drohen dem Arzt eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Da es unbillig wäre jeden Verstoß zu sanktionieren, führt eine Tatbestandsverwirklichung nicht automatisch zu dieser Straferwartung. Vielmehr gibt es verschiedene Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, welche den Arzt entlasten können.
So ist im Paragrafen 34 StGB geregelt, dass bei gegenwärtigen, nicht anders anwendbaren Gefahren für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Straftat begangen werden kann, um eben diese Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden.
Es muss also immer eine Interessenabwägung zugrunde liegen, bei der zum einen das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes steht und auf der anderen Seite die Geheimhaltungsverpflichtung.
Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass nicht jede Gefährdung ausreicht, um straffrei zu handeln. Vielmehr wird verlangt, dass bei einer ungestörten Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes zu erwarten ist. Denn wie bereits oben geklärt, ist den Eltern per Grundgesetz die Sorge für ihre Kinder unbeschadet von staatlichen Eingriffen einzuräumen.
Hier ist immer zu berücksichtigen, dass für viele Verletzungsbilder mehrere Diagnosen möglich sind und es dem Arzt wohl häufig schwerfallen dürfte, die sichtbaren Verletzungen tatsächlich auf eine Körperverletzung zurückzuführen. Es bleibt eine Einzelfallentscheidung.
Um Ärzten dabei zu helfen, gibt es Kinderschutzleitlinien, die eine Art Wegweiser zur Erkennung, Einschätzung und Behandlung einer möglichen Kindeswohlgefährdung bereithalten.
Abwägung
Dennoch muss der Arzt stets weitere Nachforschungen anstellen, ehe er sich für eine Mitteilung entscheidet. Dabei muss der Arzt auch immer berücksichtigen, dass er Gefahr läuft, die Sorgeberechtigten durch eine verfrühte oder ungerechtfertigte Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden unwiderruflich zu stigmatisieren. Dies könnte sich nachteilig auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken und auch die häusliche Situation verschlechtern, in dem die Eltern tatsächlich zu körperlichen Züchtigungsmitteln greifen. Körperliche Züchtigungen sind zwar ebenfalls strafrechtlich verfolgbar, aber eine existierende Strafnorm stellt nun mal kein tatsächliches Hindernis dar.
Fazit
Die ärztliche Schweigepflicht stellt zwar ein elementares Bindeglied zwischen Arzt und Patient her, sie ist jedoch kein uneingeschränkt geltendes Recht des Patienten. Um Gefahren für Leib und Leben von Patienten oder anderen Personen abzuwenden, darf der Arzt seine Verschwiegenheitsverpflichtung brechen, wenn dies medizinisch indiziert oder aus sozialen Erwägungen heraus erforderlich ist.
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