425.000 Euro Gesamtschmerzensgeld nach fehlerhafter Vitalüberwachung

 |  Medizinrecht

Der Umstand, dass der infolge eines Behandlungsfehlers Geschädigte die verletzungsbedingten Einschränkungen bewusst wahrnimmt und hierunter in besonderem Maße leidet, rechtfertigt für sich genommen ein Schmerzensgeld, wie es für Fälle der vollständigen Persönlichkeitszerstörung zugesprochen wird, nicht. Geht die teilweise erhaltene Fähigkeit, die eigene Person und die eigene Umwelt zu erleben, mit der Fähigkeit einher, die eigenen Einschränkungen in verstärktem Maße wahrzunehmen, ist dies zwar dem Grunde nach schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen.

In erheblichem Umfang gilt dies aber erst dann, wenn sich hieraus ein psychisches Leiden mit Krankheitswert entwickelt. Der Gefahr, dass sich eine dem Schädiger anzulastende psychische Erkrankung noch entwickeln wird, kann durch einen Feststellungsantrag bezüglich der Zukunftsschäden Rechnung getragen werden.

Vor diesem Hintergrund sprach das Oberlandesgericht (OLG) Dresden einem jugendlichen Kläger ein Gesamtschmerzensgeld von gerundet 425.000,00 Euro zu. Die Mutter des Klägers war in der 28. Schwangerschaftswoche wegen eines Darmverschlusses operiert worden. Hierbei unterließ das Krankenhauspersonal eine hinreichende Überwachung des ungeborenen Klägers, bemerkte infolge dessen zu spät dessen lebensbedrohliche Vitalparameter und ging auch nach Entdeckung der für das Ungeborene lebensbedrohlichen Situation nicht standardgemäß vor. Der Kläger kann infolgedessen heute nicht selbstständig laufen und aufrecht sitzen. Seine Umlagerung ist ebenfalls nur unter Hilfestellung möglich. Folgeerkrankungen sind zu erwarten. Darüber hinaus leidet der Kläger an kognitiven Einschränkungen.

Ein vorprozessuales Angebot zur Zahlung eines Schmerzensgeldes, das hinter dem letztlich zugesprochenen Betrag um mehr als die Hälfte zurückblieb, bezeichnete das Gericht als unzulässige Teilleistung, die der Kläger ablehnen durfte (OLG Dresden, Urteil vom 18.08.2020, Az.: 4 U 1242/18).

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