Der unbekannte Unfallschaden beim Gebrauchtwagenkauf

Kfz-Recht

Noch unter dem Einfluss der Euphorie des frischen Autokaufs stehend, wird der erste Werkstattbesuch mit dem „neuen“ Gebrauchtwagen regelmäßig zum ungewollten Spielverderber. Ein Blick in die Werkstatthistorie offenbart, dass der Wagen bereits eine Reparatur hinter sich hat, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden war.

Im Verkaufsgespräch hat der Verkäufer davon nichts erwähnt – ggf. wusste er es auch nicht – und auch im Kaufvertrag findet sich kein entsprechender Vermerk. Im Gegenteil: Dort stehen die üblichen Bezeichnungen wie „unfallfrei“, „kein Vorschaden“ oder „lt. Vorbesitzer unfallfrei“. Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass man über‘s Ohr gehauen wurde und einen Unfallwagen erworben hat. Rechtlich ist das ein komplexes Thema, das auch die Gerichte häufig vor Probleme stellt.

Unfallbegriff

Zunächst muss man sich von dem Gedanken freimachen, dass mit „Unfall“ im hier maßgeblichen kaufrechtlichen Verständnis nur der Verkehrsunfall gemeint ist. Der juristische Unfallbegriff geht deutlich weiter. Sämtliche Elementarschäden (Hagel, Feuer, [Hoch-]Wasser etc.) können dem Wagen beispielsweise die Unfalleigenschaft nehmen. Auch Vandalismus könnte dazu führen. Die Liste ist nicht abschließend.

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 11.06.1975, DAR 1975, 327) hat es auf die verständliche Faustformel heruntergebrochen:

„Der Begriff „Unfallfreiheit“ oder „unfallfrei“ besagt, dass ein Fahrzeug keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist.“

Diese Einordnung führt im Übrigen auch dazu, dass es den Juristen und nicht den Kfz-Sachverständigen vorbehalten bleibt, die Unfalleigenschaft abschließend zu bewerten. Der Sachverständige bestimmt den Schadensumfang und die Reparaturkosten. Das Gericht entscheidet, ob die Feststellungen des Sachverständigen ausreichen, um einen erheblichen Schaden anzunehmen.

Bin ich zum Rücktritt berechtigt?

Nachdem feststeht, dass der Wagen eine nicht völlig unerhebliche Reparatur hinter sich hatte, fürchten Käufer weitere verborgene Mängel. Diese Sorge verdrängt die anfängliche Euphorie und das Vertrauen in das neue Gefährt. Schnell stellt sich daher die Frage: Kann das Kaufgeschäft rückabgewickelt werden?

Dazu gibt es mehrere mögliche Anspruchsgrundlagen. Wir befassen uns hier ausschließlich mit der Möglichkeit des Rücktritts als Gewährleistungsrecht und unterstellen, dass dem Käufer Gewährleistungsrechte grundsätzlich zustehen.

Grundvoraussetzungen sind, dass ein Sachmangel, § 434 BGB, am Fahrzeug vorliegt und dieser nicht unerheblich ist, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Den üblicherweise notwendigen Schritt über die Nacherfüllung braucht man nicht, wenn ein Sachmangel bejaht werden kann. Denn die Unfalleigenschaft eines Fahrzeuges ist objektiv unbehebbar. Dieser Makel lastet dem Fahrzeug bis zu dessen Verschrottung an. Es spielt also insoweit keine Rolle, ob der Schaden sach- und fachgerecht repariert wurde.

Die doppelte Bagatellfrage

Entscheidend ist vielmehr die doppelte Bagatellprüfung.

Im ersten Schritt und zur Beantwortung der Frage, ob ein Sachmangel vorliegt, ist zu prüfen, ob der Wagen nach den objektiven Kriterien des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB mangelhaft ist. Dabei ist maßgeblich, ob der Wagen die „übliche und zu erwartende Beschaffenheit“ aufweist. Es ist zwischen einem Bagatellschaden (kein Sachmangel) und einem Unfallschaden (Sachmangel) zu unterscheiden. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt sehr käuferfreundlich.

Als "Bagatellschäden" erkennt der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 10.10.2007, Az.: VIII ZR 330/06) bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden an, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering ist. Gemessen an diesen Grundsätzen bleibt für einen „Bagatellschaden“ nicht viel Spielraum.

Um wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten zu können, muss der Sachmangel auch erheblich sein. Hier kommt die zweite Bagatellprüfung zum Tragen. Und diese ist deutlich schwieriger als die erste. Denn insofern kommt es auf die berüchtigte Einzelfallprüfung an und die Grenze ist nicht so eng, wie bei der Frage des Sachmangels. Am häufigsten legen die Gerichte die Reparaturkosten als Entscheidungshilfe zugrunde. Als Richtwert für die Schwelle zur Erheblichkeit gilt derzeit ein Betrag in Höhe von 1.000,00 Euro. Allerdings können auch deutlich „günstigere“ Schäden einen zum Rücktritt berechtigenden Sachmangel darstellen, beispielsweise wenn der Verkäufer die Unfalleigenschaft kannte und dem Käufer arglistig verschwiegen hat. Es bedarf daher immer einer (schwierigen) Gesamtschau sämtlicher objektiven und subjektiven Gesichtspunkte.

Fazit:  Sollte ein Käufer den Verdacht haben, dass sein „neuer“ Gebrauchtwagen doch nicht so unfallfrei ist, wie es der Verkäufer angegeben hat, sollte er sich unverzüglich rechtlich beraten lassen, um mögliche Rechtsnachteile zu vermeiden. Wir beraten deutschlandweit zu sämtlichen Fragen des allgemeinen Kfz-Rechts. Gerne können Sie einen Besprechungs-/Telefontermin vereinbaren.

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