Die Zahl der zahlungsunfähigen Verbraucher, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, steigt. Davon betroffen sind auch Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften. Diese haben eine Mitgliedschaft erworben, um dem Genossenschaftsgedanken entsprechend die Vorteile einer dauerhaften und kostengünstigen Versorgung mit genossenschaftlichem Wohnraum nutzen zu können. Sie unterwerfen sich der Satzung; u. a. der Regelung zur Zahlung von Geschäftsanteilen (Geschäftsguthaben). Der Wert geht meist weit über die zulässige Höhe einer Kaution hinaus. Über die Nutzung der Wohnung wird ein Nutzungsvertrag (Mietvertrag) abgeschlossen, auf den die mietrechtlichen Bestimmungen des BGB Anwendung finden. Im Insolvenzverfahren eines Mitgliedes ist das Geschäftsguthaben ein beachtlicher Wert des Schuldners. Grundsätzlich gehört der Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens gem. § 73 GenG (Genossenschaftsgesetz) zum Insolvenzvermögen. Dies setzt eine wirksame Kündigung voraus.
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens des Mitgliedes wird nicht selten durch den Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft gekündigt, um die Bildung des Auseinandersetzungsguthaben zu erreichen und diesen Wert der Insolvenzmasse zuzuführen. Die Kündigung der Mitgliedschaft insolventer Mitglieder, die eine Wohnung nutzen, hat auch auf die Wohnungsgenossenschaft Auswirkungen: Der Abfluss von genossenschaftlichem Vermögen bei bestehendem Nutzungsvertrag und eine satzungsmäßige Ungleichbehandlung der Mitglieder. Die Satzungen sehen in der Regel das Halten der Mitgliedschaft als Voraussetzung für den Bestand des Nutzungsvertrages vor. Eine Kündigung des Nutzungsvertrages ist nur nach den strengen Kündigungsvorschriften des BGB möglich.
In diesem Zusammenhang ist ein Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 23.05.2007 (Az: 203 C 473/06) höchst interessant: Das Amtsgericht hatte sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob im Falle der Insolvenz des Mitgliedes der Insolvenzverwalter berechtigt sei, die Mitgliedschaft zu kündigen, um so das Auseinandersetzungsguthaben einziehen und verwerten zu können. Das Amtsgericht entschied, dass die Kündigung der Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter unwirksam sei. Der Kläger (Insolvenzverwalter) vertrat die Ansicht, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen sei und ließ die Entscheidung überprüfen. Das Landgericht Berlin hat die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Charlottenburg jedoch bestätigt. Der § 109 InsO (Insolvenzordnung) umfasst das Kündigungsverbot von Miet- bzw. Pachtverhältnissen. Eine planwidrige Regelungslücke sei vorhanden. Das Kündigungsverbot aus § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO sei daher analog auf die Kündigung des Mitgliedschaftsverhältnisses anzuwenden, sodass die Kündigung unwirksam sei. Zudem soll dem Schuldner durch das Verbraucherinsolvenzverfahren ein wirtschaftlicher Neuanfang ermöglicht werden. Da dem Mitglied in der Regel bei Verlust der Mitgliedschaft der Nutzungsvertrag zur Wohnung gekündigt wird, bestünde hier die Gefahr der Obdachlosigkeit. Das Gericht geht davon aus, dass genossenschaftlich gebundener Wohnraum stets gefragt ist.
Diese Entscheidung ist nicht nur für das Mitglied, sondern auch für die Wohnungsgenossenschaften von Bedeutung und sollte in vergleichbaren Fällen bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung der Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter Beachtung finden.