Wo bleiben das notarielle Nachlassverzeichnis und ein akzeptables Wertgutachten zum Nachlassgrundstück?

Erbrecht

Ein recht aktueller Beschluss des OLG Stuttgart wirft ein Schlaglicht auf eine Thematik, die in der erbrechtlichen Praxis immer wieder zu Tage tritt. Durch Teilurteil eines Landgerichtes war eine Erbin zur Vorlage von zwei notariellen Nachlassverzeichnissen zwei nacheinander verstorbener Erblasser sowie eines Wertermittlungsgutachtens zu einer Nachlassimmobilie auf Antrag eines Pflichtteilsberechtigten verurteilt worden. Nach einigen Monaten lagen die notariellen Nachlassverzeichnisse nicht und das Wertermittlungsgutachten fehlerhaft vor.

Der Pflichtteilsberechtigte beantragte daraufhin zur Erzwingung dieser Verpflichtungen des Erben, gegen diesen gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft festzusetzen. Der Erbe ließ sinngemäß vortragen, dass er alles Notwendige diesbezüglich veranlasst habe. Er legte dazu auch eine Sachstandsanfrage an das beauftragte Notariat vor und berief sich auf eine nicht näher dokumentierte Aussage des Notariates, die Verzeichnisse würden nach einigen Monaten fertiggestellt werden. Hinsichtlich des Wertermittlungsgutachtens berief sich der Pflichtteilsberechtigte auf ein inzwischen vorliegendes Wertgutachten, das jedoch einige grundlegende Mängel bzw. Fehler enthalte.

Das Landgericht lehnte die Festsetzung der beantragten Zwangsmittel sowohl hinsichtlich der notariellen Nachlassverzeichnisse als auch des Wertgutachtens ab. Auf die sofortige Beschwerde des Pflichtteilsberechtigten kam das OLG Stuttgart jedoch zu dem Ergebnis, dass der Erbe nicht ausreichend dargelegt habe, alles in seiner Macht Stehende getan zu haben, um das Notariat zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses anzuhalten. Dabei berief sich das OLG Stuttgart auf bereits ergangene Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte, wonach in Fällen, in denen die Vornahme einer Handlung von der Mitwirkung eines Dritten (hier des Notariates) abhänge, der Erbe verpflichtet sei, die Handlung mit der gebotenen Intensität einzufordern. Hierzu gehöre, alles tatsächlich und rechtlich Mögliche zu tun, einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens gegen das Notariat. Wenn das beauftragte Notariat untätig bleibe oder unzureichend tätig werde, habe der Erbe durch Einleitung dienstrechtlicher Maßnahmen (§15 Abs. 2 Bundesnotarordnung) ein hinreichendes Verzeichnis zu erzwingen oder ein anderes Notariat damit zu beauftragen.

Auch hinsichtlich der Durchsetzung der Verpflichtung des Erben zur Einholung eines Wertgutachtens hielt das OLG Stuttgart die Verhängung von Zwangsgeld für geboten: Der Einwand des Erben, mit Vorlage des Wertgutachtens sei Erfüllung eingetreten, sei zwar grundsätzlich berücksichtigungsfähig, das Gutachten sei jedoch nicht erfüllungstauglich. Der Erbe gehe zu Unrecht davon aus, Erfüllung sei bereits durch Vorlage überhaupt eines Gutachtens eingetreten, ohne dass es auf die inhaltliche Prüfung der Qualität des Gutachtens ankomme. Erfüllungstauglichkeit des Gutachtens sei dann anzunehmen, wenn es dem Sinn und Zweck des Wertermittlungsanspruches gemäß § 2314 Abs. 1 BGB entspreche. Es müsse also dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich ein Bild über den Wert des Nachlasses zu verschaffen, das Prozessrisiko eines Rechtsstreites über den Wert des Grundstückes einzuschätzen und selbstständig seine Pflichtteilsanspruch zu berechnen. Vorliegend hatte das Gutachten eine unwirksame Ortsbausatzung zugrunde gelegt und auch einen Bestandsschutz des aufstehenden Gebäudes unberücksichtigt gelassen.
Das OLG Stuttgart kam zu der Ansicht, dass deshalb das Gutachten wesentliche Anknüpfungstatsachen in verschiedener Hinsicht ausgeblendet hatte, sodass die darauf aufgebaute Immobilienbewertung fehlerhaft war und das Gutachten den für die Pflichtteilsberechnung maßgeblichen realen Wert der Immobilie nicht richtig feststelle.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das OLG Stuttgart festhielt, dass es dem Erben im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht durch Bereitstellung der notwendigen Informationen oblegen hätte, den Sachverständigen auf die planungsrechtlichen Besonderheiten der Immobilie hinzuweisen, um ein zutreffendes Bewertungsergebnis herbeizuführen. Diese Informationen hatte der Erbe dem Sachverständigen offensichtlich bewusst vorenthalten. Bemerkenswert ist auch, dass überhaupt eine Überprüfung des Wertermittlungsgutachtens im Rahmen dieses Zwangsgeldverfahrens zu erfolgen habe.

Fazit:  Der hier nur in seinen wesentlichen Inhalten wiedergegebene Beschluss des OLG Stuttgart verdeutlicht, dass ein insoweit verpflichteter Erbe sich nicht darauf beschränken kann, ein beliebiges Notariat mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zu beauftragen und sodann „die Hände in den Schoß zu legen“. Der Erbe muss das beauftragte Notariat nicht nur möglichst umfangreich über den Nachlassbestand informieren und darüber hinaus erbetene Mitwirkungen gegenüber dem Notariat erbringen, sondern auch im Falle einer Untätigkeit des Notariates diesem gegenüber alles tun, um dessen Tätigkeit zu befördern bzw. ggf. sogar rechtlich zu erzwingen oder ein williges, anderes Notariat beauftragen.

Sinngemäß Entsprechendes gilt auch bei der Erfüllung der Verpflichtung zur Einholung eines Wertgutachtens zu einer Wertimmobilie. Auch insoweit muss der verpflichtete Erbe sämtliche Mitwirkungshandlungen insbesondere im Sinne der Mitteilung relevanter Informationen erbringen, um ein sachgerechtes Wertermittlungsgutachten zu ermöglichen. Kommt der Erben in diesem Sinne seinen Verpflichtungen nicht vollumfänglich nach, läuft er eben Gefahr, dass gegen ihn Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft festgesetzt wird, um ihn zwangsweise dazu zu veranlassen, alles Sinnvolle und Notwendige zu tun, um möglichst zeitnah ein notarielles Verzeichnis und/oder ein Wertermittlungsgutachten zu einem Nachlassgegenstand vorlegen zu können.

Die Fundstelle des vorstehend genannten Beschlusses des OLG Stuttgart lautet: OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2023, Az.: 19 W 4/23.

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