Schulden erben: Ich will kein Erbe mehr sein!

Erbrecht

Nicht selten bereut ein Erbe oder Miterbe die Annahme der Erbschaft. Diese Reue entsteht häufig, nachdem eine bisher unbekannte Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen ist und der Nachlassbestand diese Erfüllung nicht oder kaum mehr hergibt. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte über einen interessanten Fall aus diesem Themenkreis mit seinem Beschluss vom 28.07.2015, Az.: 31 Wx 54/15, zu entscheiden. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Der Erblasser war am 10.06.2012 verstorben. Neben seiner Ehefrau waren vier Kinder zur Erbschaft aufgrund gesetzlicher Erbfolge berufen. Im März 2013 beantragte die Ehefrau beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein, der diese gesetzliche Erbfolge ausweisen sollte. Dieser Erbschein wurde auch antragsgemäß erteilt. Danach erklärten drei der Kinder gegenüber dem Nachlassgericht, dass sie die Annahme der Erbschaft ihres Vaters anfechten und verwiesen auf eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, aus der sich ergeben habe, dass gegen den Nachlass eine erhebliche Darlehensforderung bestehe, von der die drei Kinder – entgegen dieser gerichtlichen Entscheidung – bisher annahmen, dass diese verjährt sei. Auch schlugen sie die Erbschaft nun aus.

Die Anfechtung der Erbschaft durch die Kinder

Deshalb begehrten die drei Kinder nach einer entsprechenden Anfechtungserklärung die Einziehung des vorliegenden Erbscheines als unrichtig. Das Nachlassgericht lehnte diesen Antrag mit dem Hinweis ab, dass einerseits die gesetzliche Anfechtungsfrist abgelaufen sei und diesen drei Kindern im Übrigen auch kein die Anfechtung rechtfertigender Grund zur Verfügung stehe. Die bloße nachträgliche andere rechtliche Würdigung einer Nachlassverbindlichkeit könne keine Anfechtung begründen. Gegen diese nachlassgerichtliche Entscheidung legten die drei Kinder Beschwerde zum OLG München ein, das der Beschwerde stattgab.

Entscheidung des OLG: Ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses

Das OLG München führte in der Begründung seiner Entscheidung aus, dass die Kinder des Erblassers die Annahme der Erbschaft infolge Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtumes über die Überschuldung des Nachlasses wirksam angefochten und in der Folge auch ausgeschlagen hätten. Sie könnten sich zurecht auf einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses gemäß § 119 Abs. 2 BGB berufen. Es sei allgemein anerkannt, dass die Überschuldung einer Erbschaft eine solche zur Anfechtung berechtigende Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB darstelle. Ein Anfechtungsgrund sei aber nur dann gegeben, wenn der Irrtum der Erben auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses beruhe. Fehlvorstellungen über den Wert einzelner Nachlassgegenstände könnten zwar keine Anfechtung rechtfertigen, weil der Wert von Nachlassgegenständen bzw. des Nachlasses als solcher keine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB darstelle.

Warum die Überschuldung des Nachlasses ein Anfechtungsgrund ist

Die Kinder hätten sich vorliegend jedoch darüber geirrt, dass die fragliche Darlehensschuld überhaupt eine Nachlassverbindlichkeit darstelle und damit den Nachlass belaste. Damit irrten sie über die Zusammensetzung des Nachlasses. Nachdem die Kinder sich aufgrund dieses Irrtumes erst dazu entschlossen hatten, die Erbschaft anzunehmen, sei der Irrtum auch ursächlich für die Annahme der Erbschaft gewesen. Schließlich hätten die Kinder – so das OLG München – die Anfechtung der Annahme auch rechtzeitig erklärt. Die Kinder hätten erst mit Zustellung des besagten gerichtlichen Urteils von dem Umstand Kenntnis erlangt, dass die fragliche gegen den Nachlass gerichtete Darlehensforderung fällig und auch durchsetzbar sei, insbesondere nicht verjährt sei. Nach dieser Kenntniserlangung war die sechswöchige Anfechtungsfrist zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung der Kinder noch nicht abgelaufen.

Die Bedeutung der Anfechtungsfrist bei Erbschaften

Abschließend sei von dem Verfasser deutlich auf die besondere Bedeutung der sechswöchigen gesetzlichen Anfechtungsfrist für die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft verwiesen. Oftmals scheitern derartige Anfechtungserklärungen in der rechtlichen Praxis nicht am Vorliegen eines ausreichenden Anfechtungsgrundes, sondern daran, dass die Anfechtungsfrist nicht eingehalten wird. Ohne damit die Bedeutung dieser Anfechtungsfrist relativieren zu wollen, sei aber darauf verwiesen, dass auch in den Fällen, in denen in dieser Weise „das Kind in den Brunnen gefallen ist“, noch rechtliche Möglichkeiten bestehen, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten mit dem persönlichen Vermögen vermieden werden kann. Dazu sollte fachanwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden.
 

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