Dieses Verlangen begründet sich aus § 2314 Abs. 1 BGB, der dem Pflichtteilsberechtigten – also insbesondere Abkömmlingen – den Anspruch verleiht, von dem Erben über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariell erstellten Nachlassverzeichnisses Auskunft zu erhalten. In einer aktuellen Entscheidung (BGH, Beschluss vom 13.09.2018, Az.: I ZB 109/17) hatte ein Pflichtteilsberechtigter bereits gegen einen Erben ein Urteil mit entsprechendem Inhalt erwirkt und auf seinen Antrag hin die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil erwirkt, weil aus Sicht des Pflichtteilsberechtigten der Erbe seiner ausgeurteilten Verpflichtung nicht vollständig nachkam.
Die Stellung des Notars
Zunächst entschied der Bundesgerichtshof, dass es sich bei der Verpflichtung des Erben auf Vorlage eines notariell beurkundeten Nachlassverzeichnisses um eine sogenannte unvertretbare Handlung im Sinne von § 888 Abs. 1 ZPO handelt, weil der Notar auf die persönliche Mitwirkungshandlung des Erben angewiesen ist, das Nachlassverzeichnis zu erstellen. Gemäß § 888 ZPO kann die Vorlage des notariell beurkundeten Nachlassverzeichnisses durch Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft erzwungen werden. Weiter bestätigte der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Stellung des Notars dadurch gekennzeichnet ist, dass er den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen muss, er also den Inhalt des Nachlassverzeichnisses persönlich verantwortet. Er ist zwar in der Ausgestaltung seines Verfahrens weitgehend frei. Er darf sich allerdings nicht darauf beschränken, lediglich eine Plausibilitätsprüfung bezüglich der Angaben des Erben durchzuführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand eben selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter für erforderlich halten würde.
Häufig werden diese Aspekte deshalb relevant, weil der Pflichtteilsberechtigte von der Tätigkeit des Notars erwartet, dass er in geeigneter Weise – z. B. durch Untersuchung von Buchungen auf einem Erblasserkonto innerhalb von 10 Jahren vor dessen Ableben – Anhaltspunkten für Schenkungen des Erblassers in diesem Zusammenhang nachgeht. Dahinter steht wiederum der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten, an derartigen Schenkungen im Sinne von § 325 BGB teilzuhaben. Die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes brachte Neues insoweit, als bisher umstritten war, ob der Erbe persönlich den Notar über den Bestand des Nachlasses unterrichten muss. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass dieses nicht zwingend erforderlich sei, der Erbe sich vielmehr grundsätzlich auch vertreten lassen kann.
Anwesenheit von Erben und Pflichtteilsberechtigten bei Terminen
Weiter etwas überraschend ist die Feststellung des Bundesgerichtshofes, dass der Erbe zu einem Termin, zu dem der Pflichtteilsberechtigte hinzugezogen wird, nicht erscheinen muss, wenn er seiner Mitwirkungspflicht bereits genügt hat und kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Im Ergebnis führt dieses also dazu, dass Erbe und Pflichtteilsberechtigter im Rahmen der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht aufeinandertreffen müssen. Dennoch dürfte es wünschenswert sein, dass Erbe und Pflichtteilsberechtigter beide die Inhalte des Nachlassverzeichnisses mit dem Notar in persönlicher Anwesenheit erörtern, denn es muss immer damit gerechnet werden, dass etwaige Hinweise und Anregungen im Aufnahmetermin vor dem Notar durch den Pflichtteilsberechtigten einen weiteren Aufklärungsbedarf nach sich ziehen können. Diese könnten dann ggf. in allseitiger Anwesenheit geklärt und das Verfahren zügiger abgeschlossen werden. Dies ist im Sinne sämtlicher Beteiligten.
Zur Verjährung des Anspruches auf Auskunft
In diesem sachlichen Zusammenhang ist auf eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Zusammenhang mit von dem Erben auf Verlangen zu erstellenden Nachlassverzeichnisses hinzuweisen (BGH, Urteil vom 31.10.2018, Az.: IV ZR 313/17). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeurteilt, dass der im Rahmen einer Stufenklage (erste Stufe: Auskunft, zweite Stufe: Zahlung und ggf. weitere Stufen), der von dem Pflichtteilsberechtigten geltend gemachte Anspruch auf Auskunft durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses grundsätzlich auch die Verjährung des Anspruches auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses hemmt. Nach ständiger Rechtsprechung steht es dem Pflichtteilsberechtigten frei, von dem Erben entweder ein privatschriftliches oder ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen, auch beides nacheinander. So war es auch in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem der Pflichtteilsberechtigte in der Klage ausschließlich ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis verlangte und während des Rechtsstreites nach Ablauf der einschlägigen, dreijährigen Verjährungsfrist ergänzend auch die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangte. Insoweit war bisher umstritten, ob mit der Klage die Vorlage des privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses auch die Verjährung des Anspruches auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gehemmt wird.
Der Bundesgerichtshof hat auch hervorgehoben, wenngleich diese Aussage nicht neu ist, dass durch die Klage auf Geltendmachung des ordentlichen Pflichtteiles zugleich auch die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruches (§ 2325 BGB) gegen denselben Schuldner gehemmt und entsprechendes gilt, wenn zunächst der Pflichtteilsergänzungsanspruch und danach erst der ordentliche Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird. Somit hat der Pflichtteilsberechtigte nunmehr Rechtssicherheit insoweit erhalten, als er zunächst einmal die Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnis verlangen und einklagen kann und sodann ohne den durch Ablauf einer Verjährungsfrist entstehenden Zeitdruck abhängig von der Qualität des vorliegenden privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses noch die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen kann.