Der „ahnungslose“ Miterbe

Erbrecht

Nicht selten wird ein Erblasser bekanntermaßen durch mehrere Personen beerbt. Manche Miterben stehen in einem gewissen Näheverhältnis zu dem Erblasser bis zu seinem Erbfall, während andere Miterben oftmals seit geraumer Zeit keinen oder so wenig Kontakt zu dem Erblasser hatten, dass sie über dessen Vermögens- und Lebensverhältnisse nicht oder nur sehr unzureichend informiert sind.
 

Beispielhaft sei auf die klassische Konstellation hingewiesen, dass ein Erblasser kein Testament hinterlässt und deshalb gesetzlich durch seine Ehefrau und z. B. von Kindern beerbt wird, die nicht gemeinsame Kinder mit seiner Ehefrau sind.

In diesen Konstellationen fehlt es oftmals an einem Vertrauensverhältnis unter den Miterben und deshalb haben die „ahnungslosen Miterben“ Schwierigkeiten damit, von der Witwe des Erblassers über den Bestand des Nachlasses oder gar über die Entwicklung der Vermögensverhältnisse des Erblassers vor dem Erbfall informiert zu werden. Nicht selten ist das Verhältnis der miterbenden Witwe oder des Witwers zu einseitigen Abkömmlingen des verstorbenen Ehegatten nicht nur kaum vorhanden, sondern sogar negativ belastet.

Gibt es einen alleinigen Auskunftsanspruch unter Miterben?

Derartige Konstellationen führen dann dazu, dass Auskunftsverlangen nur in dem Umfang befriedigt werden, in dem auch eine rechtliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht. Hinsichtlich der Rechtslage ist zunächst zu betonen, dass sich ein allgemeiner Auskunftsanspruch unter Miterben im Gesetz nicht findet. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich ein Miterbe ggf. nach Beschaffung eines Erbscheines eigenständig – z. B. bei Bankinstituten oder Grundbuchämtern – Auskünfte beschaffen kann.

Dennoch hat die Rechtsprechung für bestimmte Konstellationen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB einen Auskunftsanspruch bejaht. Dieser setzt aber voraus, dass der Auskunftsgläubiger in entschuldbarer Weise über ein ihm zustehendes Recht im ungewissen ist und dass der Auskunftsschuldner – also eine Person, die dem Erblasser näherstand und deshalb über entsprechende Kenntnisse verfügt – dem unschwer abhelfen kann.

Für einen derartigen Auskunftsanspruch ist aber grundsätzlich eine sogenannte Sonderbeziehung zwischen Auskunftsgläubiger und Auskunftsschuldner erforderlich. Durch die bloße Miterbenstellung wird eine Sonderbeziehung nicht begründet. Der dem Erblasser näherstehende Auskunftsschuldner muss also zu dem Erblasser in einer besonderen vertraglichen Rechtsbeziehung gestanden haben, die ihn nunmehr auch gegenüber Miterben verpflichten kann, Auskünfte zu erteilen. Dies ist häufig nicht der Fall.

Auskunftsansprüche gegenüber Erbschaftsbesitzern und Hausgenossen

Der Gesetzgeber hat Auskunftsansprüche jedoch für bestimmte Konstellationen ausdrücklich geregelt. So gibt § 2027 BGB einen Auskunftsanspruch gegenüber sogenannten Erbschaftsbesitzern im Sinne von § 2018 BGB. Danach ist ein Erbschaftsbesitzer eine Person, die unter Anmaßung eines Erbrechtes etwas aus dem Nachlass erlangt hat. Dies ist eher selten der Fall. In der Regel fehlt es an der Anmaßung einer nicht vorhandenen Alleinerbenstellung durch einen Miterben.

Weiter regelt § 2028 BGB den Auskunftsanspruch gegenüber einem Hausgenossen des Erblassers, also einer Person, die – wie in der Regel ein Ehegatte – mit dem Erblasser in einer häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Erbfalles oder in dem Zeitraum davor befunden hat. Dieser Anspruch gemäß § 2028 BGB vermittelt jedoch nicht einen allgemeinen Auskunftsanspruch, sondern lediglich einen Auskunftsanspruch dazu, welche sogenannten erbschaftlichen Geschäfte von dem Hausgenossen geführt wurden und was ihm über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen bekannt ist. Ein derartiger Anspruch ist also inhaltlich begrenzt und liegt oftmals auch schon deshalb nicht vor, weil nicht selten Erblasser die letzte Lebenszeit nicht an ihrem privaten Wohnsitz verlebten, sondern etwa in einer Pflegeeinrichtung.

Auskunftsanspruch des Beauftragten

Manchmal hilft dem uninformierten Miterben der Umstand, dass ein naher Angehöriger sich auf der Grundlage einer sogenannten Vorsorgevollmacht oder etwa auch einer Bankvollmacht um die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Erblassers in dessen Auftrag gekümmert hat. Dieses betrifft oft aber nur den Zeitraum vor dem Erbfall, weil eine Vorsorgevollmacht in der Regel mit dem Erbfall endet. Handelt es sich dabei rechtlich um ein Auftragsverhältnis, gewährt § 666 BGB einen entsprechenden Auskunftsanspruch auch für die Miterben. Oftmals ist bei dieser Anspruchsgrundlage aber fraglich, ob tatsächlich ein Auftragsverhältnis zu Lebzeiten eines Erblassers bestand, insbesondere wenn es sich bei dem mutmaßlich Beauftragten um einen nahen Angehörigen handelt und der Umfang der Tätigkeit für den Erblasser überschaubar war. Denn insbesondere in diesen Konstellationen wird ein Auftragsverhältnis mit der Begründung bestritten, dass es sich insoweit um eine rechtlich unverbindliche Gefälligkeitsleistung handelte und nicht um ein Auftragsverhältnis, das auch von einem sogenannten Rechtsbindungswillen zwischen den Vertragspartnern gekennzeichnet sein muss, also beidseitig das Bewusstsein bestand, dass Rechte und Pflichten für beide Vertragspartner bestehen sollten.

Erben benötigen Informationen

Vor diesen rechtlichen Hintergründen besteht also wiederholt die Schwierigkeit eines „ahnungslosen“ Miterben, sich ohne zu große Mühe über den Bestand des Nachlasses und etwa auch den wertmäßigen Umfang seines Miterbenrechtes zu informieren. Es bedarf also nicht selten eines etwas aufwendigeren Schriftverkehrs – ggf. auch mit einem wegen eines anhängigen Erbscheinsverfahrens oder eines Testamentseröffnungsverfahrens informierten Nachlassgerichts, um etwa auch die Kenntnis zu erhalten, die eine sachgerechte Entscheidung über die Geltendmachung eines Ausschlagungsrechtes innerhalb der gesetzlichen Ausschlagungsfrist ermöglicht.

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