Baurecht und Architektenrecht
Materialpreissteigerungen – Was kann der Unternehmer tun?
Der Unternehmer trägt grundsätzlich das sog. Kalkulationsrisiko und damit auch das Risiko einer solchen Preissteigerung. Dennoch ist er nicht völlig schutzlos gestellt, wie der nachfolgende Beitrag aufzeigen soll.
1. Bestehende Bau-/Werkverträge
Für bereits geschlossene Verträge in der Durchführungsphase, die keine Regelungen über die Möglichkeit einer Preisanpassung beinhalten, gilt grundsätzlich das Prinzip der Vertragstreue „pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten.
Der Unternehmer ist an die vereinbarten Preise gebunden. Dies gilt auch im „umgekehrten“ Fall einer Materialpreissenkung, die der Unternehmer grundsätzlich nicht an seinen Aufraggeber weitergeben muss.
In Betracht zu ziehen ist ein Vertragsanpassungsanspruch gemäß § 313 BGB wegen der Störung der Geschäftsgrundlage. Dies hat zur Voraussetzung, dass sich die Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Unternehmers nach Vertragsschluss derart geändert haben, dass ein unverändertes Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Dabei führt nicht jede auch einschneidende Änderung der Verhältnisse automatisch zu einem Preisanpassungsanspruch. Vielmehr darf ein unverändertes Festhalten am Vertrag für die betroffene Partei zu einem schlechterdings nicht mehr tragbaren, auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, nicht hinzunehmenden Ergebnis führen. Die Hürden sind dafür also sehr hoch. Selbst Preissteigerungen, die etwa 10 % der Gesamtauftragssumme ausmachen, hat die Rechtsprechung bislang als nicht ausreichend angesehen.
Wenn dieser Weg versperrt ist, sollte geprüft werden, ob Möglichkeiten bestehen, das Vertragsverhältnis ohne Schaden vorzeitig zu beenden. Wenn die VOB/B zur Vertragsgrundlage gemacht wurde, kommt z. B. ein Vorgehen nach § 6 Abs. 7 in Betracht. Danach hat der Werkunternehmer ein Sonderkündigungsrecht u. a. für den Fall, dass die Baustelle z. B. wegen Umplanungen, fehlender Genehmigungen etc. mehr als 3 Monate stillsteht.
Diese Sonderkündigungsmöglichkeit könnte sich auch für den Fall anbieten, dass es aufgrund von Lieferproblemen zu einer Verzögerung der Bauausführung von mindestens 3 Monaten gekommen ist.
Gerät der Auftraggeber in Annahmeverzug infolge Unterlassens ihm obliegender Mitwirkungshandlungen (z. B. Bereitstellung der Baustelle), kann der Unternehmer nach § 642 BGB für die baustellenbezogene Vorhaltung von Personal, Geräten und Kapital eine angemessene Entschädigung verlangen.
Mehrkosten wie gestiegene Materialkosten, die zwar aufgrund des Annahmeverzugs des Auftraggebers, aber erst nach dessen Beendigung anfallen (also bei Ausführung der verschobenen Werkleistung), sind nach der wegweisenden Entscheidung des BGH vom 26.10.2017, Az. VII ZR 16/17, von § 642 BGB hingegen nicht umfasst.
2. Zukünftige Bau-/Werkverträge
Für erst noch abzuschließende Verträge gilt es daher, sich hinreichend abzusichern. Dies kann durch so genannte Preisgleitklauseln geschehen. Mit solchen Regelungen kann auf entsprechende Preisinstabilitäten in Bezug auf Vergütung und Kostensteigerungen reagiert werden. Empfehlenswert ist es, diese Klauseln individuell mit dem Auftraggeber auszuhandeln, da sie als AGBs von den Gerichten häufig wegen Intransparenz für unwirksam gehalten werden. Wichtig ist, Klarheit zu schaffen, unter welchen konkreten Bedingungen die Preisgleitklausel greift.
Unternehmer können sich zudem auch dadurch absichern, dass sie ihre Angebote zeitlich befristen bzw. den Zusatz „Angebot freibleibend“ aufnehmen. Zusätzlich ist es ratsam, sich die Materialpreise von Lieferanten o. Ä. verbindlich zusichern zu lassen.
3. Fazit
Der Unternehmer ist bei unvorhersehbaren Preissteigerungen also nicht völlig schutzlos gestellt, wobei die Durchsetzung von Anpassungen bei bereits bestehenden Verträgen mit deutlich mehr Schwierigkeiten verbunden ist. Dem kann allerdings für die Zukunft mit individuell ausgehandelten Preisgleitklauseln begegnet werden.
Gern helfen wir Ihnen, solche Klauseln für Ihre Verträge zu formulieren.
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