Herr Fleischer, erleichtern coronabegründete Arbeitsausfälle die Kündigung von Arbeitnehmern?
Nein, zwar gibt es eine Reihe von coronabedingten Gesetzesänderungen, aber das Kündigungsschutzgesetz ist hiervor nicht betroffen. Es bedarf bei der Kündigung eines Arbeitnehmers nach wie vor einer Begründung, wenn das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.
Besteht die Pflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über eine verhängte Quarantäne zu informieren?
Ja, und zwar aus der sog. nebenvertraglichen Pflicht zum Arbeitsvertrag, gesetzlich geregelt in § 242 II BGB. Der Arbeitgeber muss sodann die von einer Infektion u. U. betroffenen Abteilungen und Arbeitnehmer informieren. Dies folgt aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Die Nennung des Namens des betroffenen Arbeitnehmers hat hierbei zu unterbleiben.
Welche Verantwortlichkeit ergibt sich für Schutzausrüstung im Betrieb?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.
Dürfen Arbeitgeber das Tragen eines Mundschutzes anordnen?
Der Arbeitgeber hat seine Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit zu schützen, als die Natur der Arbeitspflichterfüllung es gestattet. Er ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Kommt der Arbeitgeber daher zum Ergebnis, dass das Tragen einer Maske essenziell wichtig ist, um den Arbeitsschutz im Betrieb zu gewährleisten, dann kann das auch das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung, von Handschuhen, Schutzkitteln oder auch einem Mundschutz bedeuten. Mittlerweile sind Schutzmaßnahmen im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard streng und für Arbeitgeber bindend geregelt.
Ist ein verpflichtendes Fiebermessen am „Werkstor“ gestattet?
Hierbei handelt es sich derzeit um eine „Grauzone“. Wie aufgezeigt, hat der Arbeitgeber eine Reihe von Schutzpflichten gegenüber seinen Angestellten, jedoch handelt es sich (auch) beim kontaktlosen Fiebermessen um einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter, da es sich um Gesundheitsdaten des Einzelnen handelt. Dezidierte gesetzliche Regelungen existieren noch nicht. Aktuell wird es davon abhängen, ob es schon zu Infektionsfällen im Unternehmen gekommen ist, um eine solche Maßnahme überhaupt begründen zu können. Im Weiteren muss, falls im Unternehmen existent, die Zustimmung des Betriebsrates vorliegen, da es sich um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes i. S. d. § 87 I Nr. 7 BetrVG handelt.
Darf der Arbeitgeber die Nutzung der Corona-Warn-App anweisen?
Nein, zumindest nicht auf privaten Telefonen, da das dem Arbeitgeber obliegende Weisungs- und Direktionsrecht ihm keine Rechte einräumt, über das Eigentum des Arbeitnehmers zu verfügen. Das, und ob eine Installation der Corona-Warn-App auf dienstlichen Smartphones ohne ausdrückliche Zustimmung der Arbeitnehmer zulässig sein wird, ist derzeit noch ungeklärt, so dass hier nur der Rat gegeben werden kann, sich dies vom Arbeitnehmer ausdrücklich bestätigen zu lassen. Überdies wird dies wohl auch der Mitbestimmung des Betriebsrates unterfallen, da es sich um Gesundheitsdaten (im weitesten Sinne) handelt.
Wir danken für das Gespräch!