Die Situation dürfte insbesondere Eltern von schulpflichtigen Kindern bekannt vorkommen: Obwohl man seinem Kind zur Bewältigung des Schulweges eine Monatskarte gekauft bzw. das Geld zum Erwerb einer gültigen Fahrkarte dem Kind mitgegeben hat, wird der Nachwuchs bei einer Kontrolle ohne Fahrausweis erwischt. Mal wurde die Fahrkarte zu Hause liegen gelassen, ein anderes Mal wurde das Portemonnaie mit der Monatskarte in der Schule vergessen oder das zur Verfügung gestellte Geld schlichtweg anderweitig ausgegeben.
Bereits mehrfach haben wir an dieser Stelle beschrieben, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn ein Minderjähriger ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, ohne dabei im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.
Das Wichtigste vorweg: Anders als bei einem volljährigen Kunden kann von Minderjährigen das sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelt“ grundsätzlich nicht verlangt werden. Bei dieser Zahlung, die regelmäßig erhoben wird, wenn der Kunde bei einer Kontrolle keinen Fahrschein vorweisen kann, handelt es sich um eine in den Beförderungsbedingungen geregelte Vertragsstrafe. An dieser Stelle kommt Minderjährigen jedoch zugute, dass sie durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) im Rechtsverkehr besonders geschützt werden. Ohne Einwilligung der Eltern können sie in beschränktem Umfang nur Rechtsgeschäfte abschließen, die für sie lediglich vorteilhaft sind. Nach § 107 BGB bedarf der Minderjährige „zu einer Willenserklärung durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters“. Im Interesse eines wirksamen Minderjährigenschutzes ist der Umfang der Einwilligung stets eng auszulegen.
Da der Beförderungsvertrag im Kleingedruckten die Pflicht zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes für den Fall einer Schwarzfahrt vorsieht, handelt es sich jedoch für den Minderjährigen nicht mehr um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft, sodass die Wirksamkeit des Vertrages von der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter abhängt. Diese liegt jedoch grundsätzlich nicht vor. In aller Regel ist es so, dass die Eltern ihren Kindern entweder eine Fahrkarte oder den entsprechenden Geldbetrag zur Verfügung stellen, da sie wollen, dass ihr Kind das Verkehrsmittel ausschließlich mit einem gültigen Fahrausweis nutzt. Eine generelle Einwilligung der gesetzlichen Vertreter zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gilt nach der Rechtsprechung im Zweifel nicht für Schwarzfahrten des Minderjährigen.
Trotz dieser eindeutigen Rechtslage erheben die Dresdner Verkehrsbetriebe regelmäßig von Minderjährigen ein erhöhtes Beförderungsentgelt. Dabei spielt es keine Rolle, ob dabei der volle Betrag in Höhe von 60,00 Euro oder aufgrund einer sogenannten „Kulanzregelung“ lediglich ein Betrag in Höhe von 7,00 Euro eingefordert wird. Für den geltend gemachten Anspruch fehlt im vorliegenden Fall schlichtweg eine Rechtsgrundlage. Dennoch gehen die Verkehrsbetriebe zwischenzeitlich so weit, ihren vermeintlichen Anspruch gerichtlich geltend zu machen.
Fazit: Das Amtsgericht Dresden hat nunmehr in seinem Urteil vom 26.01.2018 (Az.: 101 C 4414/17) diesem Verhalten eine Absage erteilt und schließt sich der weit überwiegenden Rechtsprechung der Amtsgerichte zu dieser Problematik an. Ausdrücklich weist das Gericht in seinem Urteil darauf hin, dass seitens der Eltern nicht wirksam in die Vertragsstrafenregelung eingewilligt wurde und daher gegenüber dem Minderjährigen kein Anspruch auf die Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes besteht.
Es bleibt zu hoffen, dass die Dresdner Verkehrsbetriebe wenigstens in Zukunft darauf verzichten, ihre unberechtigten Forderungen gegenüber ihren minderjährigen Fahrgästen einzutreiben und stattdessen darauf vertrauen, dass seitens der Eltern ausreichend auf ihre Kinder eingewirkt wird, die Busse und Bahnen mit gültigem Fahrausweis zu benutzen.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur für die zivilrechtliche Verantwortung von Minderjährigen gilt. Denjenigen, der absichtlich ohne Erwerb eines Fahrerscheins ein Verkehrsmittel nutzt, trifft ab dem 14. Lebensjahr zwar weiterhin keine zivilrechtliche Verantwortung. Beim Erreichen der Strafmündigkeit (betrifft Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren) kommt dann jedoch eine strafrechtliche Bewertung des Verhaltens in Betracht. Dies ist wichtig, da ab Vollendung des 14. Lebensjahres die Nutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels ohne gültigen Fahrausweis als Erschleichen von Leistungen gemäß § 265 a StGB strafbar sein kann.