Auch auf der Rodelbahn bestehen Sorgfaltspflichten …

… denn „Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann“, besagt § 3 Abs. 1 Satz 4 der StVO. Doch gilt dies auch auf der Rodelbahn?

1. Der Sachverhalt

In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht (OLG) München (Entscheidung vom 23.02.2022, Az.: 7 U 1195/21) ging es um einen Unfall zwischen einem Rodler und einem Fußgänger auf einer „Rodelbahn“, die sowohl von abfahrenden Rodlern als auch von zu Fuß aufsteigenden Personen benutzt wird. Der Kläger war als Fußgänger unterwegs, wurde von dem Beklagten und dessen Schlitten erfasst und verletzte sich dabei nicht unerheblich. Der verklagte Rodler behauptete, mit einer Geschwindigkeit um die 20 km/h (von ihm als „Fahrradgeschwindigkeit“ bezeichnet) gerodelt zu sein. Der im Rechtsstreit hinzugezogene Sachverständige ermittelte dagegen eine Ausgangsgeschwindigkeit von deutlich über 20 km/h. Der verletzte Kläger machte wegen der erlittenen Verletzungen u. a. ein Schmerzensgeld geltend. Zu Recht, wie das OLG München entschied.

2. Die Entscheidung

Nach Auffassung des Gerichts konnte der klagende Fußgänger beweisen, dass der Rodler zu schnell war und ihn damit unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt – also fahrlässig – an der Gesundheit schädigte. Das Gericht stellte dabei einerseits klar, dass sich die Frage, wie schnell ein Rodler unterwegs sein darf, ohne dabei fahrlässig zu handeln, nicht allgemein und ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls bewertet lässt. Andererseits stellte das Gericht fest, dass der Beklagte den Unfall in dem konkreten Einzelfall durch eine nicht den Gegebenheiten angepasste, überhöhte Geschwindigkeit verursacht hat.

Ereignet sich der Unfall auf einer „Rodelbahn“, auf der mit berechtigtem Fußgängerverkehr zu rechnen ist, darf ein Rodler nach dem Rechtsgedanken des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO nur so schnell unterwegs sein, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann. Die hier vom Rodler gefahrene Geschwindigkeit von deutlich über 20 km/h war nach Auffassung des OLG München nicht mehr geeignet, innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten zu können.

Da die Geschwindigkeitsüberschreitung zudem unfallursächlich gewesen ist, da der Rodler den Unfall hätte vermeiden können, wäre er mit einer den Verhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren, und der Rodler zudem dem verletzten Kläger kein Mitverschulden nachweisen konnte, haftet der Rodler in dem konkreten Einzelfall allein und ist dem Fußgänger damit zum Schadensersatz verpflichtet.

3. In der praktischen Tätigkeit

Erfahrungsgemäß gehen solche Fälle, wie ihn das OLG München zu entscheiden hatte, mit erheblichen Beweisschwierigkeiten einher. Wie auch das Gericht klarstellt, muss der Geschädigte dem Verursacher ein unfallursächliches, pflichtwidriges Verhalten nachweisen. Der Kläger hatte hier Glück, dass er einen Zeugen benennen konnte und auch die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit des Rodlers mit einem Sachverständigengutachten nachzuweisen war. Das ist nicht immer so. Gelingt der Beweis nicht, bleibt der Geschädigte auf seinem Schaden sitzen.

Der Fall zeigt aber auch eindrucksvoll, dass die Rodelbahn kein „rechtsfreier“ Raum (im verkehrsrechtlichen Sinne) ist. Vielmehr gilt auch hier, wie im Straßenverkehr, dass gegenseitige Rücksichtnahme geboten ist.

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