Punkte oder keine Punkte? – Das ist oft die Frage seit Neufassung des Bußgeldkataloges im November 2021

Verkehrsrecht

Im letzten November traten zahlreiche Änderungen des Bußgeldkataloges in Kraft. Viele Tatbestände wurden teurer, etwa bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Anders als schon früher einmal vorgesehen und dann wegen eines Formfehlers im Gesetzgebungsverfahren wieder zurückgezogen, wurden die Fahrverbotsgrenzen nicht herabgesetzt – es sind allerdings einige neue Fahrverbotstatbestände hinzugekommen. Das hatte damals für kurze Zeit bei Verwaltungsbehörden, Gerichten und Anwälten zu einem erheblichen Anstieg an Verfahren gesorgt. Probleme in der Kanzleipraxis entstehen nun aber an ganz anderer Stelle:

Verstöße im ruhenden Verkehr

Der neue Katalog ist nicht durchgehend systematisch aufgebaut. Es gibt nun Verstöße im ruhenden Verkehr, die mit Punkteeintragungen verbunden sind. Beispielweise erhält derjenige, der länger als eine Stunde auf Geh- oder Radwegen parkt, jetzt ein Bußgeld von 70,00 Euro und einen Punkt in Flensburg. Als Orientierung sollte man sich merken, dass alles, was nicht zur Straße gehört und nicht durch Baulichkeiten getrennt ist, unabhängig vom Eigentum von der Rechtsprechung als Gehweg deklariert wird. Zum Bußgeld addieren sich außerdem aktuell übliche Verfahrenskosten in Höhe von 28,50 Euro. Gibt es in Flensburg bereits Voreintragungen, kann die Bußgeldstelle zudem die Geldbuße angemessen anheben.

Früher gab es für Verstöße im ruhenden Verkehr keine Punkte und man bewegte sich zunächst im Verwarnungsgeldbereich unterhalb von 60,00 Euro. Betroffene erhielten daher in solchen Fällen eine Anhörung kombiniert mit einem Verwarnungsgeldangebot. Wer zahlte, war das Verfahren los, ohne in Flensburg damit registriert zu werden. Das war schon aus Verhältnismäßigkeitserwägungen für die meisten die beste Alternative. Die einzige Bedrohung war schließlich nur ein Geldbetrag. Wer sich verteidigte, riskierte zusätzliche Verfahrenskosten und Verärgerung bei seiner eventuell vorhandenen Rechtsschutzversicherung.

Jetzt muss die Verwaltungsbehörde für einige Zuwiderhandlungen im ruhenden Verkehr Bußgeldbescheide erlassen, ohne vorher ein Verwarnungsgeldangebot machen zu dürfen, weil die Geldbußen die Grenze von 60,00 Euro erreichen oder überschreiten. Grundsätzlich muss dann in diesen Fällen auch ein Fahrer ermittelt werden. Gelingt dies nicht, ist das Verfahren einzustellen und die Behörde kann ersatzweise dem Halter nur eine Gebühr von 20,00 Euro plus Zustellkosten auferlegen, weil er keine Auskunft über den Fahrer gegeben hat.

Um dieses von manchem gewünschte Ziel zu erreichen, wird zuvor oft Rechtsberatung benötigt. Diese ist aber in den meisten Fällen trotz bestehender Rechtsschutzversicherung nicht versichert, denn nur noch selten ist der sogenannte ruhende Verkehr in einem Versicherungspaket überhaupt noch versichert. Seit es für Verstöße im ruhenden Verkehr nun auch Punkte in Flensburg gibt und solche Fälle nicht mehr als Bagatellfälle bezeichnet werden können, ist aber der Beratungsbedarf objektiv gegeben. Wegen der Vielzahl dieser Fälle lässt sich das auch nicht mehr im Kanzleialltag „en passant“ und ohne Rechnung erledigen. Eine dafür ausreichende Erstberatung löst allerdings bereits Gebühren in Höhe von 190,00 Euro netto aus. Wegen des Aufwandes, der um die reine Beratungsleistung herum noch zu betreiben ist, macht es in der Anwaltskanzlei wirtschaftlich keinen Sinn, deutlich niedrigere Honorare anzubieten.
Das ist das Dilemma der Betroffenen: Eine Punktebedrohung und trotz bestehender Verkehrsrechtschutzversicherung von dort keine Kostenübernahme.

Geschwindigkeitsüberschreitungen

Die Unsystematik des Bußgeldkataloges zeigt sich auch noch an anderer Stelle. Früher waren Geschwindigkeitsüberschreitungen (hier jetzt nur bei PKWs und Motorrädern) bis 20 km/h Überschreitung ein Fall für ein Verwarnungsgeld unter 60,00 Euro. Es gab also zunächst eine kombinierte Anhörung/Verwarnung. Punkte drohten nicht. Einer beabsichtigten Verteidigung standen Verhältnismäßigkeitsgründe entgegen (s. o.). Jetzt gibt es bei Überschreitungen zwischen 16 und 20 km/h keine Verwarnungsmöglichkeit mehr, weil das Bußgeld auf mindestens 60,00 Euro angehoben wurde. Die Verwaltungsbehörde kann daher nur durch Bußgeldbescheid plus Gebühren für seine Erlass entscheiden, wenn sie das Verfahren nicht einstellt.

Die Betroffenen werden daher wie früher nur bei Überschreitungen mit Punktefolge mit den Besonderheiten des Bußgeldverfahrens konfrontiert (Anhörung ohne Verwarnungsgeldangebot, förmliche Zustellung eines Bußgeldbescheides). Weil keine Punkte drohen, liegt es hier auch nahe, sich über die Verhältnismäßigkeit einer Verteidigung Gedanken zu machen (z. B. wegen einer anfallenden Selbstbeteiligung in der Rechtsschutzversicherung). Die dafür entstehende Rechtsberatung löst schon einen nicht unerheblichen Zeitaufwand beim Anwalt aus. Da auch diese Fälle zugenommen haben, wird man als Anwalt nicht umhinkommen, auch in solchen Fällen eine Erstberatungsgebühr berechnen zu müssen.

Fazit:  Grundsätzlich lässt sich daher sagen, dass der neue Bußgeldkatalog die Verfahren selbst für rechtsschutzversicherte Betroffene deutlich verteuert hat. Sprechen Sie uns bei Fragen gern an.

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